Das
"Haus Friedwart" (Leitz-Haus) in Wetzlar
und seine neuen Bewohner
Der Grad der internationalen Bekanntheit der Stadt Wetzlar wurde
von zwei
Namen bestimmt: Oskar Barnack und Ernst Leitz II. Ersterer als
Konstrukteur
und Autor der weltweit ersten Kleinbildkamera (1913), zweiterer als der
Unternehmer,
der die Produktion dieser Kamera organisiert hat. Ihren Namen hat die
legendäre
Leica durch die Verkürzung und Verbindung zweier Wörter in
einem erhalten: Leitz Camera = Leica.
Versucht man, eine Pyramide zu bauen, die zeigt, welcher der drei Namen
der bekannteste ist, so
steht das Handelszeichen (Leica) auf der Spitze der Pyramide, danach
kommt Ernst Leitz II,
der Leiter und Stratege der Produktion, und als Letzter schließlich
der Autor und
Entwickler der Originalidee, Oskar Barnack.
Ernst Leitz II ist nicht nur als Produzent bekannt, sondern auch als
außergewöhnliche Persönlichkeit,
ein Befürworter der Demokratie in einer Zeit, wo es
gefährlich war, ein solcher zu sein.
Wir haben bereits in einem Artikel, welcher der Ausstellung der
Leica-Meister im Neuen Rathaus Wetzlar gewidmet
war (Шедевры известных
Leica-фотомастеров в новом ратхаузе Ветцлара - nur auf Russisch) geschrieben.
Unter anderem hat er
während des Zweiten Weltkriegs trotz entsprechenden Verbotes
Zwangsarbeitern
aus Osteuropa, die die damals
im Betrieb arbeiteten, die Benutzung
von Luftschutzräumen erlaubt.
In Wetzlar gibt es kein touristisches Objekt, das konkret Oskar Barnack
gewidmet wäre.
Ein kleineres Museum, aus einer Halle bestehend, wo man einen Stammbaum
mit allen Leicamodellen
sehen kann, befindet sich im nahen Solms, wo die Leica zur Zeit auch
produziert wird, einige Modelle
kann man unter anderen Ausstellungsstücken auch im Stadt- und
Industriemuseum sehen. Die
Eröffnung eines Hauses der Optik, wo Wetzlar eine Darstellung als
Stadt der Optik erfahren
soll, ist geplant, liegt aber zur Zeit noch in der Zukunft.
Die Familie Leitz dagegen besitzt eien eigenes Memorial, das Haus
Friedwart. In ihm
hielten sich auf und trafen sich berühmte Persönlichkeiten
des Vor- und Nackriegsdeutschland
und es war eine Art soziales und kulturelles Zentrum. Eine
Fotoserie über dieses
Haus sollte denn auch das Hauptthema dieses Artikels werden, aber
leider wurde die
Fotoreportage gleich zu Beginn der Führung unterbrochen. Das Haus
hat sich
als eine Art geschlossenes touristisches Objekt erwiesen. Die
Führung, die nach dem vorherigen
Erwerb von Tickets nur zweimal pro Jahr stattfindet, begann
mit Folgendem: Fünf Personen,
die das Ticket direkt vor Ort zu erwerben hofften, wurden darüber
in Kenntnis
gesetzt, dass es nicht möglich sei. Denn die Zahl der
Führungteilnehmer dürfe einen
bestimmten Höchstwert nicht übersteigen - was im
Allgemeinen auch vernünftig und
verständlich ist - und jemand, der kein Ticket
besäße, könne in einem
halben Jahr zur nächsten Führung antreten.
Die Führerin, eine Angehörige der Familie Leitz, hat sich
dafür entschuldigt, dass
der Inhalt der Führung überwiegend abgelesen werden sollte,
weil das die einzige
Möglichkeit sei. Eben deshalb, weil Führungen hier sehr
selten stattfänden und
die Gefahr bestünde, etwas auszulassen, was nicht ausgelassen
werden sollte -
der Text enthielt viel Faktenwissen. Ich konnte die Diele und das
Wohnzimmer fotografieren
und noch ein paar Bilder im nächsten Zimmer machen, aber damit war
die Fotoreportage schon zu Ende.
Meine fotografische Tätigkeit kam für die Hausherren
offensichtlich unerwartet.
Für mich kam auch unerwartet, dass das Fotografieren im Hause eines
der Eltern der Kleinbildkamera ein Problem sein kann. Mehr noch, die
selbstverständlcih falsche, jedoch dem Selbstwertgefühl
schmeichelnde Vermutung kam
in mir auf, ich könnte seit vielen Jahren der erste
professionelle Fotograf sein,
der hier den Deckel des Objektivs abnimmt und die Interieurs
des Hauses ins Bild bannt.
Am Anfang der Führung, bei der kurzen Einleitung vor dem
Gebäude und in
der Diele, kamne keinerlei Warnungen über ein Fotoverbot, was mir
und ein
paar weiteren Enthusiasten erlaubte, eine gewisse Menge von
Schüssen zu
machen. Aber schon im Wohnzimmer kam die Frage, ob ich von der Presse
sei.
Nach der bestätigenden Antwort kam ein eindeutiges Verbot, das
kurz darauf
von der Hausbesitzerin telefonsich bestätigt wurde. Dieses Verbot
betraf nicht
nur die Presse in meiner Person, sondern auch die unglücklich mit
mir hier
gelandeten anderen Kamerabesitzer. Einer von ihnen konnte trotz Verbot
eine allgemeine Ansicht des Hauses vom Hof aus machen. Er motivierte
das mit der Behauptung,
die Landschaft hinter dem Haus zu fotografieren, was vom gewählten
Standpunkt
her sehr unwahscheinlich zu verwirklichen war.
Es ist interessant, das eine Ansicht des Hauses von einem nahe gelegenen
Standpunkt aus auf Seite 176 des Sammelbandes "Ernst Leitz -
Wegbereiter der Leica"
(von Kuit Kühn-Leitz, 2006) enthalten ist. Dort fidet sich auch
ein Foto des Wohnzimmers.
Die Fotos wurden bereits in den 1950er Jahren gemacht, aber seitdem hat
das Gebäude,
stilistisch ein Mittelding zwischen Art Deco und Neoklassizismus, innen
wie außen keine wesentlichen
Veränderungen erfahren. Was innerhalb des Hauses auch
erstaunlich war, war die sehr
geringe
Menge von Fotografien. Auf den Wänden hängt
überwiegend Malerei.
In einem der Zimmer
befidnet sich eine der ersten Kameras der
R-Serie, die Ernst Leitz II gehörte.
Die Möbel wurden teilweise gleichzeitig mit dem Architekturprojekt
als solchen
bestellt und projektiert (eine der Besonderheiten des Projektes sind
die im Grundriss
bogeförmigen Türen, welche die gebogenen Wände
wiederholen), Zum anderen Teil gehören die
Möbel zu dem schon damals antiken Biedermeier und dem vermutlich
noch nicht antiken Art Deco.
Die konstruktivistische Ästhetik dieser Zeit hat sich in keiner
Weise in den Möbeln
niedergeschlagen, was man sich vielleicht auch hätte denken
können, wenn man die
Architektur des Leica-Produktionskomplexes in Wetzlar kannte. Der
Konstruktivismus
als Stil fand sich ausschließlich in Gebrauchsgegenständen.
Ein Teil des Leitzhauses, dessen linker Flügel, wird zur Zeit von
"normalen" Mietern
bewohnt. Am Tag der Führung hatte eine der vier Mädchen
Geburtstag und sie
haben sich gemeinsam mit dem Vater des Geburtstagskindes im Bereich
rund um
Haus Friedwart ausgetobt. Im gleichen Bereich lebt auch ihr Kaninchen,
allerdings im beschränlten Raum eines Käfigs.
Auf den Fotos unten sehen Sie Folgendes (von oben nach unten):
1.Fragment des Hauses, von der Straßenseite aus aufgenommen
(nicht vom Hausgelände aus, denn dort ist das Fotografieren zur
Zeit verboten)
2. Ticket für die Führung durch das Haus Friedwart
- auch
eine Art Unikat als ein Ticket mit geringer "Auflage".
3. - 5. Geburtstag, Spiele in frischer Luft (Gesichter verwischt)
6. Kaninchen (Gesicht erhalten)
7. Führerin (Gesicht verwischt)
Ich werde nocht das Risiko eingehen, die anderen Fotos zu
veröffentlichen,
da ich gewarnt wurde, dass im Falle einer Veröffentlichung eine
gerichtliche Klage erfolgen kann.
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