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vbranzhi

Denkmal für ukrainische
Kriegsgefangene in Wetzlar

In Erwartung der Restaurierung

 
      
Dieser Artikel wurde zuerst im Jahr 2007 auf Russisch in „Kultur und Alltag“ veröffentlicht. Heute veröffentlichen wir ihn auf Deutsch, da es einen gewichtigen Anlass gibt, sich daran zu erinnern: die Restaurierung dieses einzigartigen Denkmals erscheint in naher Zukunft möglich. Dieses Denkmal gilt nicht nur ukrainischen Kriegsgefangenen, sondern in gewissem Sinne einem Beispiel für Beachtung der Genfer Konvention zur Behandlung von Kriegsgefangenen.

 
"So wie sich Grabinschriften schlenkern in Sprachen,    
die wir nicht verstehn"    
(A. Puschkin) 

 

                    Wenn man mit dem Auto oder Bus die Frankfurter Straße in Wetzlar entlang fährt, sieht man nahe der Haltestelle Polizeistation oder Friedhof ein Denkmal.  Es steht beim östlichen Friedhofstor.  Auf dem Denkmal steht: „Für unsere Brüder. Die ukrainischen Kriegsgefangenen“-

                    Woran erinnert das Denkmal?

                    Eine „Stadt in der Stadt“ nannten die Zeitgenossen das Lager für ukrainische Kriegsgefangene in Wetzlar- Büblingshausen in den Jahren 1915 – 1919, zur Zeit des Ersten Weltkriegs. Im Lager befanden sich 13000 Personen (die damalige Einwohnerzahl von Wetzlar betrug ca. 13500). Die erhaltenen Dokumente verraten vieles über das Lagerleben.

                    Die Kriegsgefangenen arbeiteten in Betrieben, in der Landwirtschaft oder in Werkstätten. Sie wurden mit 50 Pfennig am Tag bezahlt und hatten an orthodoxen Feiertagen Urlaub. Bestimmte Häftlinge, die in regelmäßigen  Zeitabständen neu bestimmt wurden, gingen auf den Kornmarkt, um Brot zu holen.

                    Das Lager hatte eine eigene Druckerei, wo eine eigene ukrainischsprachige Zeitung, Sammlungen von Lieder und Erzählungen, Gedichte und Kalender gedruckt wurden. Die Zeitung kostetete fünf Pfennig, so dass die Kriegsgefangenen, die für ihre Arbeit bezahlt wurden, sie kaufen konnten.

                    Die Kalender berücksichtigten die religiösen Unterschiede zwischen Christen, Juden und Moslems. Das beweist, dass es im Lager nicht nur ethnische Ukrainer, sondern auch Personen anderer Nationalitäten, die in der Ukraine gelebt hatten, gegeben hat.

                    Es  gab eine eigene Musikkapelle und sogar ein eigenes musikalisch-dramatisches Theater, in dem mehrere Truppen konkurrierten und weibliche Rollen von Männern gespielt wurden.
Es sind über 140 in der Lagerdruckerei gedruckte Plakate erhalten, die Chor- und Orchesterkonzerte, Dramen und Komödien ankündigen.

                     Im Lager gabe es auch ein kleines Landwirtschaftsmuseum und eine Landwirtschaftsbibliothek. Der Bukowiner Wissenschaftler Dr. Stefan Smal-Stotskiy wurde eingeladen, um die Aufklärungsarbeit zu leiten.

                     Aus den Lagerbefehlen ist z.B. bekannt, dass Häftling Feschtschenko drei Tage strengen Arrests erhalten hat für den Versuch, eine Flasche Cognac ins Lager zu schmuggeln, und die Häftlinge Stepanjuk und Lukaschenko dafür, dass sie um ein Uhr morgens den Ofen anzündeten und kochten.

                     Im Vergleich zu den anderen Lagern kann dieses als privilegiert gelten, aber der Alltag war dennoch nicht rosig: die Ernährung bestand überwiegend aus Bohnen, Sauerkraut, etwas Kartoffeln und Brot.

                     Die Kontakte zur Bevölkerung waren minimal: Die Wetzlarer Einwohner wussten bestenfalls am Rand von der Existenz des Lagers. Dennoch wurde das Lager einige Male in verschiedenen Zusammenhängen in den hiesigen Zeitungen erwähnt.

                     Mitte Februar 1918 marschierten 800 Personen zum Bahnhof Wetzlar: Die erste Gruppe von Kriegsgefangenen verließ Büblingshausen.

                    Am 13.August 1919 wurde das Lager aufgelöst: Das Deutsche Kaiserreich existierte nicht mehr und wurde von der Weimarer Republik ersetzt. Drei Tage später wurde im Beisein von Vertretern der neuen Machte das Kriegsgefangenendenkmal  feierlich eröffnet und eingeweiht. Es wurde in Berlin auf Bestellung der ukrainischen Kriegsmission hergestellt, von den Mitteln der Mission und dem von den ehemaligen Kriegsgefangenen gesammelten Geld (Sie erinnern sich – 50 Pfennig am Tag).

                     Es ist bekannt, dass Deutschland die Wetzlarer Kriegsgefangenen im Krieg gegen Russland einsetzen wollte. Man versuchte, sie im Krieg einzusetzen, nachdem die Armeen von Deutschland und Österreich-Ungarn angefangen hatten, das Territorium der heutigen Ukraine zu besetzen. Aber die meisten gingen nach Hause, wenn sie erst einmal in der Heimat waren.

                     In Wetzlar-Büblingshausen gibt es auch einen Friedhof, den die Einwohner den „ukrainischen Friedhof“ nennen. Hier sind über 400 Menschen begraben, dafür über 350 aus dem oben genannten Lager (die anderen Gräber stammen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs).

                     Der Autor des Monuments „Für unsere Brüder“ ist Prof. Michail Paraschtschuk, ein bekannter ukrainischer Bildhauer, der Anfang des 20.Jahrhunderts in Polen und Paris studiert und im Atelier von Auguste Rodin praktiziert hat. Vor dem Ersten Weltkrieg arbeitete er in Lwiw und Kiew, danach zog er auf den Balkan und starb in Bulgarien.

                     Das Denkmal ist ein seltenes Exemplar der ukrainischen Skulptur an der Schwelle der 1910er und 1920er, da aus dieser Zeit sehr wenig erhalten ist. Für Deutschland ist dieses Denkmal einzigartig. Ein Denkmal für Ausländer.



                                                                                       FOTOS:


ukrainische denkmal





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