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Kultur und Alltag

panoram
(Wetzlar, Lahn-Dill-Kreis und Hessen)


Übersetzung des Artikels
Die Gesetze sind besser,
die Gesetze
sind fröhlicher geworden


aus der von mir geführten Rubrik „Kultur und Alltag“
in der Zeitung „LDK auf Russisch“ von Dezember 2006.
Übersetzt von © Alexandr Tschernow. 
Der Titel ist eine Periphrase einer bekannten
Redewendung aus der Zeit des sowjetischen Totalitarismus:
Das Leben ist besser, das Leben ist fröhlicher geworden
.

 

Der Existenz des Reichskammergerichtes hat Wetzlar auch
den Aufenthalt Goethes in seinen Mauern zu verdanken.
Der damals 23jährige Autor der „Leiden des jungen Werther“,
die seinerzeit Europa erschütterten
und bekanntlich sozusagen auf Wetzlarer Materialien basieren, hat ein Praktikum
im Reichskammergericht gemacht, wo er im Mai 1772 ankam.
Der Jurastudent Goethe benötigte dieses Praktikum,
um eine vollwertige juristische Ausbildung abzuschließen.
Als Schriftsteller dagegen war er damals wenig bekannt.
Der Ruhm kam später, und zwar sehr bald – dank diesem Roman.
Zum Prototyp des „jungen Werthers“ wurde neben Goethe selbst auch
der 25jährige Jurist Karl Wilhelm Jerusalem (1747 – 1772), der sich wegen unglücklicher Liebe
(nach andern Angaben auch wegen Mobbing) erschoss.
Die Art seiner Tätigkeit hatte auch mit dem Reichskammergericht zu tun.
Das Museum „Jerusalem-Haus“ in Wetzlar ist seiner Geschichte gewidmet.

 

Und noch etwas zur Guillotine, die ein durchaus modernes Design aufweist.
Das Modell wurde in den USA hergestellt, extra für diese Ausstellung bestellt,
was durchaus viel Geld kostete. Man sagt, die Zöllner hätten nicht gewusst,
wie viel Zoll sie nehmen sollen, weil sie nicht sicher waren, ob es sich um Werkzeug,
Deko oder Spielzeug handelte.



mason

Haben Sie mal Freimaurer gesehen, von denen sie bestimmt gehört haben?
Oder eine Guillotine, oder die Maske Napoleons?
Das alles gibt es zu sehen in Wetzlar im Reichskammergericht
sowie im Stadt- und Industriemuseum in der Ausstellung „Altes Reich und neues Recht“,
wohin ein Mann aus Pappe, rosaorange gekleidet
und mit einer Perücke, an vielen Stellen in den Straßen einlädt.

 

Dort sieht man eine sehr gelungene Kopie der posthum
hergestellten Maske Napoleons. Ein funktionierendes Guillotinenmodell im Maßstab 1:6.
Und elegante Freimaurer aus Porzellan (Foto), gemacht nach dem Modell
von Johann Joachim Kändler, dem besten Meister der Meißener Manufaktur im 18.Jahrhundert.

 

Die erstaunlich graziösen Damenschuhe aus dem 18.Jahrhundert fesseln die Aufmerksamkeit.
 Aber was haben sie denn mit Recht und Gesetz, mit Strafen und Exekutionen zu tun?
Sind das Gegenstände, die zusammen mit vielen anderen
das Kolorit der Epoche wieder erschaffen sollen?
Ein Detail, das helfend, soll, auf unterhaltsame und entspannte Art
ein ernstes Thema herüberzubringen? Ja, schon. Aber nicht nur das.

 

In der Zeit gegen 1800 brauchte Deutschland keine Revolution,
und Köpfe von Damen, die solche Schuhe trugen, landeten nicht auf der Guillotine.
Es gab Gesetze, die den Bürgern die Möglichkeit gewährten,
ihre Rechte zu verteidigen – Gesetze gegen die Tyrannei.
Rechtsstaat statt Revolution – das eine der Grundideen der Ausstellung,
welche die Geschichte des Rechts in Deutschland und
teilweise in anderen deutschsprachigen Ländern aufzeigt –
von deren Beginn bis zum 19.Jahrhundert.
Zu diesem Zweck wurden Exponate aus vielen Museen
und Privatsammlungen herangezogen, auch aus den ausländischen.

 


  

  napoleon

Hier sieht man unter anderem die bekanntesten Gesetzesbücher

und Bücher über Gesetze, die in dieser Zeit verfasst wurden
und einen unbestreitbaren Beitrag zur Weltkultur geleistet haben.
Zum Beispiel der „Leviathan“ von Thomas Hobbes aus dem 17.Jarhundert:
Daraus kennen wir Wendungen wie „Krieg aller gegen alle“
oder „Alle Menschen sind von Natur aus gleich.“
Der „Code Napoleon“ aus dem Jahre 1804 (Foto) war
das einflussreichste europäische Gesetzesbuch im 19.Jahrhundert.
Noch einmal etwas zu den Damenschuhen.
Eines der bekanntesten Zitate aus diesem Gesetzesbuch lautet:
„Als Vater eines ehelich geborenen Kindes gilt der Ehemann.“


 dom

Außerdem befinden sich hier viele bekannte Persönlichkeiten aus dem Rechtsbereich,
die streng von den eigenen Portraits herabschauen,
sowie unter vielem anderen historische Juristenkleider.
Und auch Bilder mit Bestrafungs- und Hinrichtungsszenen -
leider ist das auch Geschichte, von der nichts mehr weggenommen werden kann.

Es ist kein Geheimnis, dass der heutige Wohlstand Deutschlands
unter anderem durch den Respekt vor Gesetzen bestimmt wird,
die relativ früh und rechtzeitig erlassen wurden.

Das Reichskammergerichtsmuseum, wo die Ausstellung sich befindet,
ist das einzige Museum der Rechtsgeschichte dieser Art in Deutschland.

 

Seit 1485 war das Reichkammergericht das oberste Gericht in Deutschland
und befand sich in Wetzlar, was der Stadt eine große Bedeutung zuteil werden ließ.
(Foto: Sitzung des Reichskammergerichts in Wetzlar –
Fragment eines Kupferstichs von Peter Fehr, gemacht um 1735)
An dieses Gericht konnten sich auch die einfachen Bürger wenden:
Apotheker, Schuster, Dienerinnen – jeder und jede, von der Prinzessin bis zu Aschenputtel.


gericht

  

Der Existenz des Reichskammergerichtes hat Wetzlar
auch den Aufenthalt Goethes in seinen Mauern zu verdanken.
Der damals 23jährige Autor der „Leiden des jungen Werther“,
die seinerzeit Europa erschütterten und bekanntlich sozusagen
auf Wetzlarer Materialien basieren, hat ein Praktikum
im Reichskammergericht gemacht, wo er im Mai 1772 ankam.
Der Jurastudent Goethe benötigte dieses Praktikum,
um eine vollwertige juristische Ausbildung abzuschließen.
Als Schriftsteller dagegen war er damals wenig bekannt.
Der Ruhm kam später, und zwar sehr bald – dank diesem Roman.
Zum Prototyp des „jungen Werthers“ wurde neben Goethe selbst
auch der 25jährige Jurist Karl Wilhelm Jerusalem (1747 – 1772),
der sich wegen unglücklicher Liebe (nach andern Angaben
auch wegen Mobbing) erschoss. Die Art seiner Tätigkeit hatte auch
mit dem Reichskammergericht zu tun.
Das Museum „Jerusalem-Haus“ in Wetzlar ist seiner Geschichte gewidmet.

 

Und noch etwas zur Guillotine, die ein durchaus modernes Design aufweist.
Das Modell wurde in den USA hergestellt, extra für diese Ausstellung bestellt,
was durchaus viel Geld kostete. Man sagt, die Zöllner hätten nicht gewusst,
wie viel Zoll sie nehmen sollen, weil sie nicht sicher waren,
ob es sich um Werkzeug, Deko oder Spielzeug handelte.


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